Die schaurig schönen Perchten im Tiroler Alpbachtal
Die Perchtenläufe im Tiroler Alpbachtal sind ein lebendiges Symbol für uralte Tradition und authentisches Brauchtum. Wilde Gestalten mit Holzmasken vertreiben die Wintergeister – erfahre mehr über dieses Ritual!
Tradition in der Tourismusregion Alpbachtal
Die Perchtenläufe im Tiroler Alpbachtal sind mehr als nur ein uraltes Ritual: Hier lebt ein Brauchtum weiter, das seit Jahrhunderten über Generationen weitergegeben wird. Während der Ort Breitenbach am Inn noch strikt am Überlieferten festhält, zeigt sich in anderen Orten, wie das Traditionelle behutsam mit der Zeit gehen kann. Die Perchten, das sind wilde Gestalten mit schaurigen Holzmasken und schweren Kostümen aus getrockneten Maisblättern, die begleitet von krachenden Trommel-Rhythmen durch das Dorf ziehen, um die bösen Geister des Winters zu vertreiben. Wer dieses faszinierende Spektakel erleben möchte, der sollte am 5. oder 6. Dezember die Tourismusregion Alpbachtal besuchen.
Die Perchten vertreiben die Wintergeister
Wenn sich Anfang Dezember die Dämmerung über das Tiroler Unterland legt, verwandeln sich die Dörfer im Alpbachtal in mystische Schauplätze des Perchtenbrauchtums. Seit Generationen ziehen hier die „Peaschtln“ von Haus zu Haus, mit grimmig geschnitzten Holzmasken, handgenähten Gewändern aus Maisbratschen und dem dröhnenden Rhythmus der Trommeln aus alten Benzinkanistern. Das „Peaschtl-laffn“ ist hier nicht nur eine Tradition, sondern ein fest verwurzelter Bestandteil des Dorflebens, ein Spektakel, das Jung und Alt fesselt und das ganze Dorf in Atem hält.
Die Wiege des Brauchs liegt in Breitenbach am Inn - so sagt man. Wenn hier Kinder das Wort „Peaschtln“ hören bekommen sie glänzende Augen. Denn für die Kinder von Breitenbach am Inn ist dieser Brauch der absolute Höhepunkt des Jahres. Deswegen gibt es auch zahlreiche Kinder-Passen, in denen sich junge Buben mit glühenden Ohren und leidenschaftlichen Herzen einer Tradition widmen, die schon ihre Vorväter gepflegt haben. Und zum Glück aufgezeichnet haben, denn rund um das Jahr 1900 hielt man den wunderbaren Brauch erstmals schriftlich fest. Alle Passen - das sind Gruppen aus Breitenbach am Inn, Angerberg und Mariastein - halten sich auch heute noch genau an die alten Rituale, denn schließlich handelt es sich um keinen Faschingsumzug mit Masken aus Plastik. Das Peaschtln ist ein urtümlicher Brauch aus längst vergangenen Tiroler Zeiten.
Holzmasken & Larven
Die alten, schaurigen Holzmasken werden in den Dörfern verehrt. Die Namen der damaligen Holzschnitzmeister werden von den Einheimischen noch immer mit Ehrfurcht ausgesprochen. Die Schnitzer haben in den Dörfern nahezu Kultstatus. Heute schnitzt man sie meist mit Motorsägen aus Zirbenholz, ein präziser Prozess, bei dem die Hörner anschließend montiert werden. „Früher schmierten die Männer Ruß ins Gesicht, da sie kaum Masken besaßen,“ erklärt Barbara Moser, Brauchtumsexpertin und Autorin. Heute schwärzt man oft das Gesicht unter der Maske.
Hexen, Hupfer und Trommler in den Ursprungsgemeinden und Tamperer
Was muss man sich also unter dem originalen „Peaschtln“ vorstellen?
In etwa 25 Männer schließen sich zu einer Gruppe, die Pass genannt wird, zusammen. Wobei jeder in eine bestimmte Rolle schlüpft. Dem Zug voraus geht die „Hex“, denn schließlich ist sie die Zeremonienmeisterin. Dann folgen die „Trommler“ und die „Blaser“. „Und zwar immer in der gleichen Reihenfolge, denn die Aufstellung des Zuges ist strikt festgelegt“, erklärt Barbara Moser. Die Trommler, oder auch Tamperer genannt, erzeugen mit Holzschlägeln auf alten Benzinkanistern ganz bestimmte Rhythmen. Die Blaser sorgen für schaurige Klänge, wenn sie mit Bock- und Signalhörnern den Zug anfeuern. In Breitenbach gibt es pro Pass nur einen Rhythmus, in den umliegenden Orten haben die Gruppen in etwa 15 verschiedene Rhythmen im Repertoire – pro Saison.
Die Gewänder & die richtige Reihenfolge
Den Abschluss bilden in Breitenbach am Inn die sogenannten „Hupfer“, also Springer, die Glocken und Schellen an ihren Gewändern haben. Apropos Kostüme. Die Mitglieder der Passen arbeiten bereits im Sommer an den Kostümen, denn es ist sehr viel Arbeit, die imposanten Gewänder aus getrockneten Maisblättern herzustellen. Dafür sehen sie sensationell aus, die „Maisbratschen-Gewänder“, die richtig schwer werden können. Die Hupfer sind leichter, schließlich wird die Höhe ihrer Luftsprünge darüber entscheiden, wie hoch das Getreide und die anderen Feldpflanzen wachsen werden. Die Luftsprünge sollen auch Glück und Gesundheit bringen.
Die verschiedenen Passen ziehen von Haus zu Haus. Angeführt von der Hex. „Nur beim Verlassen der Häuser ändert sich die Reihenfolge, denn da geht die Hex als Letzte“, erzählt Moser. Aber das ist ja auch logisch, schließlich kehrt sie mit ihrem Besen die bösen Geister aus dem Haus hinaus. Vor dem Haus steht dann oftmals schon die nächste Gruppe, die zu Besuch kommt. Allein in Breitenbach am Inn gibt es rund 50 Passen. Da ist ordentlich Bewegung und Lärm im Ort. Nicht vor der Kirche! Denn so will es der Brauch. An dem Haus des Herren ziehen die Perchten in andächtigem Schweigen vorbei.
Die moderne Seite eines uralten Brauchs
Natürlich steht auch dieser Brauch im Spannungsfeld zwischen Tradition und Moderne. Deutlich sieht man das bei der „Seidä Pass“ aus Kramsach. Hier und in den umliegenden Dörfern des Alpbachtals haben die Gruppen dem Brauch ganz neue Elemente hinzugefügt. Martin Knapp, Tamperer des Seidä Pass, erklärt: „Die Wurzeln respektieren wir sehr, aber es gibt immer auch Raum für Neues.“ So trifft man in diesen Passen auf viel schwerere Gewänder mit bis zu 50 Kilogramm, längeren Hörnern und feurige Hexentänze. Zudem gibt es statt den „Hupfern“ die so genannten „Läufer“, wendige Fellteufel, welche mit Martinshörnern - der sogenannten „Bahnerla“ - die Rythmen hupend untermalen und so manchen Zusehern auch Ruß ins Gesicht schmieren. „Wir sind nicht nur Bewahrer, sondern auch Gestalter,“ lacht Knapp, der seit über 15 Jahren dabei ist. Damit alles im Takt läuft, wird im Herbst regelmäßig geprobt. Und weil das Üben auf Metallkanistern einen ohrenbetäubenden Lärm in der Nachbarschaft auslösen würde, schlägt man kurzerhand auf Holz. „Wir üben Rhythmen grundsätzlich auf Holztischen, das ist leiser und die Schläge werden aufgrund des geringeren Halls präziser“, so Knapp.
Von Tirol zur Pariser Fashion-Week
Ein außergewöhnliches Ereignis für den Seidä Pass war ein Auftritt inmitten der modischen Avantgarde, der die Gruppe weit über die Region hinaus bekannt machte. Vor einigen Jahren erlangte eines ihrer Videos auf Social Media internationale Aufmerksamkeit. Die Rhythmen und das Erscheinungsbild des Seidä Pass fesselten das Publikum weltweit und zogen schließlich die Aufmerksamkeit des belgischen Modedesigners Walter Van Beirendonck auf sich. Die Anfrage kam überraschend – man wollte den Seidä Pass auf der Pariser Fashion Week sehen. „Wir dachten erst, das sei ein Scherz,“ erzählt Knapp, „aber der Designer hatte tatsächlich unser Video gesehen und wollte uns als Teil seiner Show dabeihaben.“ Der Auftritt sorgte für Aufsehen und wurde in der New York Times und Vogue erwähnt. Die 15 Stunden Busfahrt für 15 Minuten Auftritt hatten sich gelohnt.
Trotz globaler Bekanntheit empfinden die Mitglieder der Pass das Peaschtln als lokalen Brauchtum und sie freuen sich, wenn Menschen zu ihnen in die Orte des Alpbachtals kommen, um diese wunderbaren Rituale am 5. und 6. Dezember gemeinsam zu erleben. Der Hexentanz in Rattenberg ist eine Besonderheit, die jedes Jahr am Abend des 6. Dezember in den historischen Gassen der Stadt stattfindet. Feuer und die Rhythmen der Trommler begleiten den Tanz. Hunderte Zuschauer sind jedes Jahr dabei. Gebannt verfolgen sie, wie Tradition und die Interpretation davon zu einem unvergesslichen Spektakel verschmelzen. „Hier trifft das Alte auf das Neue, und für einen Abend wird Rattenberg zum Zentrum des Perchtenbrauchtums“, sagt Martin Knapp abschließend.
Das Video zur Fashion Week mit den Perchten